Der Unaufgeregte

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Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar soll Kritiker in der Netzgemeinde beschwichtigen – doch er will nicht

Als Gewährträger für den sorgsamen Umgang mit dem Internet und seiner reizbaren Nutzergemeinde eignet sich wohl kaum jemand so wie Peter Schaar. Vermutlich will ihn die Koalition deshalb mit der Aufgabe beglücken, über das von Vielsurfern überwiegend verhasste Sperrprojekt gegen Kinderpornographie im Internet zu wachen. Er hätte ein Expertengremium zusammenstellen sollen, das die vom Bundeskriminalamt erstellten Sperrlisten überprüft. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Prestigeprojekt der Familienministerin wurden seitens der Netzgemeinde aber auch von Rechtsprofessoren vorgebracht. Nur der Datenschutz stand nicht gerade im Mittelpunkt der Kritik – zumal die Koalition inzwischen die Idee verworfen hat, von den Zugangsanbietern gesammelte Daten an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten.
Also sagte Schaar ab. „Das hat mit Datenschutz ja nichts zu tun“, beschied Schaar die Koalition lakonisch in der Tageszeitung „taz“. Tatsächlich dürfte eine wirksame Kontrolle vor allem vertiefte Kenntnisse im Sexualstrafrecht, dem Recht der Informationstechnologie und den Grundrechten voraussetzen. Schaar empfiehlt jetzt, die Entscheidung des Bundestages zu vertagen.
Das spät entflammte Bemühen der Bundesregierung um Verständnis für ihre Sperren im Internet könnte sich nun als Bumerang erweisen. Schaar genießt unter Vielnutzern des Internets hohes Ansehen und wirft der Koalition nun einen Knüppel zwischen die Beine. Er geht mit der sogenannten Internetcommunity häufiger auf Tuchfühlung als viele Politiker. Schon lange bevor die Bundesregierung die Jugend vor den Gefahren sozialer Mitmach-Netzwerke wie StudiVZ und Lokalisten – dem „Web 2.0“ – warnte, hatte Schaar sorgsamen Umgang mit dort eingestellten Daten gepredigt.
Inzwischen besitzt der 54-Jährige einen Account beim sozialen Netzwerk Facebook. Und während mittlerweile auch andere davor warnen, dass Personalabteilungen vor jedem Gespräch gewohnheitsmäßig soziale Netzwerke auf entlarvende Party-Bilder abklappern, ist Schaar schon einen Schritt weiter gegangen: Er mahnt nun die Unternehmen zur Gelassenheit. Wer in sozialen Netzwerken gar nicht auftauche, sollte deshalb nicht gleich als Musterbewerber angesehen werden.
Zur Glaubwürdigkeit Schaars trägt eine gewisse Technikaffinität bei. Eine der ersten beruflichen Stationen führte Schaar im Jahr 1983 auf eine Stelle als Referatsleiter für Datenverarbeitung und Statistik in der Hamburgischen Verwaltung. Amtskollegen ordnen ihn heute noch gelegentlich als Informatiker ein – doch Schaar ist studierter Volkswirt. Als authentisch und zielstrebig lobt ihn ein Datenschutzrechtler. Schaar mache aus dem Datenschutzrecht jedoch keinen persönlichen Feldzug, heißt es – das kennt man von manchen seiner medienaffinen Amtskollegen anders.
Mit Urteilen über „Datenskandale“ und „Bespitzelungen“ hält er sich meist nüchtern zurück, wenn keine belastbaren Belege auftauchen. Er attestierte sogar dem Datenkraken Google, dass das Unternehmen dazugelernt habe – obwohl er dem Unternehmen kürzlich noch unterstellte, dessen Projekt „Street View“ würde Einbrechern ihre Arbeit erleichtern. Doch als Lautsprecher würde sich der oberste Datenhüter auch kaum eignen: Seine gelegentlich als beamtenartig verspottete Art, wirkt eher beruhigend, als dass sie aufrüttelt: Etwa, wenn ihm Ideen aus dem Innenministerium zu weit gehen. „Eine Sicherheitspolitik, die sich darauf konzentriert, immer mehr Daten anzuhäufen, ist selbst ein Sicherheitsrisiko“ – dieser einzige in einer Online-Zitatensammlung über ihn aufgeführte Ausspruch eignet sich kaum für einen Schlachtruf für mehr Bürgerrechte, hat aber Wucht in der Sache.
Mit dem früheren Bundesinnenminister Otto Schily legte sich Schaar wegen der Einführung biometrischer Pässe derartig an, dass jener ihm Kompetenzüberschreitung vorwarf. Als „Aktionismus“ verteufelte Schaar die zunehmend schärferen Sicherheitsgesetze kurz nach den Terror-Anschlägen vom 11. September, als er noch stellvertretender Datenschutzbeauftragter in Hamburg war. Es ist noch heute sein Lieblingsthema.
Mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der für die Netzgemeinde wiederum geradezu das Böse zu verkörpern scheint, versteht sich Schaar indes fast besser, als es sein Amt erlaubt. Verlässlich sei der CDU-Politiker. Auf den Innenminister konnte sich Schaar auch verlassen, als er der Öffentlichkeit sein Buch („Das Ende der Privatsphäre“) vorstellte: Schäuble begleitete ihn aufs Podium und diskutierte dort mit Medienjournalisten. Doch bequem dürfte ihm der gebürtige Berliner nicht sein. So ist Schaar der Auffassung, die Online-Durchsuchung würde das Vertrauen in die Sicherheit des Internets erschüttern. Selbiges sagen Kritiker auch dem geplanten Gesetz gegen Kinderpornographie nach.
Da der Bundestag – mit Schäubles Einvernehmen – den Datenhüter 2008 für eine weitere Amtszeit wählte, wird er nun voraussichtlich bis 2013 amtieren; eine Wiederwahl ist dann nicht mehr möglich. Beschäftigungslos wird Schaar auch dann wohl kaum: Schon einmal machte er sich mit der privaten Datenschutzfirma PrivCom selbständig. Das war kurz bevor er im Jahr 2003 erstmals zum Bundesbeauftragten berufen wurde – gefördert von seiner Partei, der Grünen Alternativen Liste (GAL) und gegen den Widerstand der CDU.